Warum ich NICHT in den Himmel kommen werde
Gedanken eines Agnostikers, der die Paradoxe des Universums nicht überblicken kann.
Genesis
Während meines langen Werdegangs als Agnostiker auf dieser wahnsinnigen und inspirierenden Welt, habe ich mir geschworen, niemals die Existenz eines Gottes anzuzweifeln. Ich besitze weder die Macht noch das Wissen, das Beisein eines Gottes zu belegen oder zu negieren. Und darum – ehrlich gesagt – beschäftige ich mich kaum mit diesem Anliegen. Denn für mich gibt es wichtigere Sachen im Leben, aber dazu später mehr. Trotzdem wollte ich schon immer meine Meinung über dieses heikle Thema äußern. Und welcher Ort sollte besser dafür geeignet sein, als mein eigener Blog?
Diesen Beitrag bin ich mir läääääääängst selbst schuldig.
Verstehe mich bitte nicht falsch. Meiner Meinung nach, brauchen WIR den Glauben, wie die Luft zum Atmen. Denn Glauben… ist stärker als Wissenschaft. Das wurde oft genug bewiesen und davon bin ich mehr als überzeugt. Außerdem steht jedem frei zu GLAUBEN, woran er oder sie will:
- Daran fremde Menschen motivieren zu können,
- an mystische Objekte, die magische Kräfte besitzen,
- an einen robusten Baum mit heilenden Fähigkeiten
- oder sogar an einen sehr inspirierenden Mann, der Fische und Brot vermehrt hat und über Wasser gehen konnte.
Aber GLAUBEN heißt nicht wissen. Wir wissen nicht genau, ob Götter tatsächlich existieren. Wir GLAUBEN fest dran, das es so ist. Und gerade eben diese Abwesenheit von Wissen lässt mich zweifeln, ob das, was manche GLAUBEN nennen, so koscher ist, wie sie behaupten.
Öfter als mir lieb ist, sehe ich Ungerechtigkeit auf dieser Welt. Einen blanken Hass in zahlreichen Gesichtern oder die Absenz von Liebe für das Unbekannte in vielen Herzen von Mitbürger, die bestimmt sonntags gegen 10:00 Uhr ihrem Glauben pünktlich nachgehen.
Populistische Anstifter, die über den religiösen Frieden plaudern, doch in einem dunklen Hinterhof einer Organisation eifrig an dem nächsten Krieg herum schrauben.
Priester, die Wasser predigen, aber Wein trinken; indem sie nachts kleine Jungs in Hinterzimmern vergewaltigen und sich hinter der Maske „ein Mann Gottes zu sein“ verstecken, und danach von reichen „heiligen“ Institutionen geschützt werden.
„Tolerante“ Menschen, die ihren Glauben mir aufzwingen wollen, aber nicht tolerieren, dass andere Menschen anders sind oder wie ich, diesen Glauben nicht benötigen.
Gottlose Momente, die viele, unklare, banale, widersprüchliche und paradoxe Fragen in meinen Synapsen herbeirufen…
Fragen über Fragen:
- Wieso versuchen diese Gläubigen mich ständig zu bekehren, um mich auf einen gewissen „richtigen“ Weg zu bringen?
- Und woher wissen sie, dass ihr Weg, der richtige ist?
- Wer unterscheidet eine gute Tat von einer bösen?
- Wer hat die große Macht nanosekundenschnell alles zu überblicken und blitzschnell zu verarbeiten, um nach einem heftigen Streit zwischen mehreren Menschen mit unterschiedlichen Interessen, eine gerechte und gütige Entscheidung für alle Beteiligten zu treffen?
Nach dem Motto: Wenn du nicht machst, was ich dir sage, bist du nicht gut für mich und ich werde dich bestrafen…?!
Was soll das mit der strikten Dualität eines Charakters: Schwarz oder weiß, Himmel oder Hölle, gut oder böse?
Und vor allem: Nach welchen Kriterien wird entschieden, ob ich ein guter Mensch bin oder nicht?
- Bin ich ein schlechter Mensch, wenn ich mit meinem Auto auf der Autobahn – bei einer hohen Geschwindigkeit – ein kleines, unschuldiges Tier überfahre oder ein paar Kilometer später auf einer Brücke das Genick eines fliegenden Vogels mit meiner Windschutzscheibe zertrümmere? Oder aus Versehen bei einem Spaziergang auf einen Ameisenhaufen trete? (Kein Witz, diese drei Sachen sind mir an ein und demselben Tag passiert – arme Tiere)
»Das war aber aus Versehen…«, würdest du bestimmt sagen. Doch, wie oft muss ich etwas „aus Versehen“ machen, so dass mir nicht mehr von einem Gott verziehen wird? - Bin ich ein herzloses Monster, wenn ich Fleisch esse, aber einer fremden Person – einem so genannten Metzger – die Schlachtung eines Tieres überlasse, weil ich zu feige dafür bin? Und noch oben drauf… später auf meinem Teller das Bankett genieße, ohne mir Gedanken darüber zu machen, warum das unschuldige Tier sein Leben für meinen kulinarischen Genuss opfern musste?
- Bin ich ein hinterhältiger Lügner, wenn ich während der Erfüllung meiner Ziele jemanden belüge, um die wahre Intention meiner Arbeit zu verbergen, bis der richtige Moment für die Enthüllung gekommen ist?
- Wenn dieser Gott so mächtig ist, dass er alles erschaffen kann, sogar einen Stein, der von niemanden weggetragen werden kann, wieso ist dieser Gott dann so allmächtig? Es gibt immerhin einen Stein, den nicht einmal er aufheben kann?!
- Wieso ist Gott keine Frau?
- Und wenn er in Wirklichkeit ein ER ist… wieso müssen immer mehr Menschen an ihn glauben?
- Wieso muss gerade ICH an ihn glauben?
- Wieso braucht dieser Gott meinen GLAUBEN und meine Unterstützung?
Hat er nicht genügend „Follower“ auf seinem „Account“, die täglich bestätigen, dass er der Richtige ist? - Wann ist die Obergrenze seiner Zeugen erreicht?
- Wieso muss ich ihn von meinem Glauben überzeugen, um in den Himmel zu kommen?
- Wann wurde diesem Gott der Schlüssel zum Himmel übergeben und er zum Eigentümer ernannt?
- Wieso gibt es nur diesen Himmel?
- Werde ich wegen all dieser Fragen -die bestimmt nicht mit dem Codex irgendwelcher Götter übereinstimmen- am Ende meiner Tage als grausamer und herzloser Ungläubiger gerichtet und in der Hölle schmoren?
Gut oder böse? Bestrafung, wenn du nicht gehorchst? Du solltest deinen Gott mehr lieben als deine eigene Familie? Ist das ernst gemeint?
Im Leben habe ich gelernt, dass, wenn eine Person etwas aus Angst macht, nicht nur Gutes aus ihren Taten entstehen kann.
Ich dachte, um gute moralische Werte unseren Kindern weiter zu geben, sollten wir ihnen beibringen, Taten aus reiner Überzeugung zu vollbringen… und nicht, weil jemand mit Strafe droht oder eine Belohnung verspricht.
»Du sollst machen, was ich sage, sonst schmorst du in der Hölle!?«
Aber vielleicht liegt es an meiner verwirrten Weltanschauung, dass ich die unergründlichen Wege des Herren nicht verstehen überblicken kann.
Ja, es sind Fragen über den Himmel, Gott und die Welt, die ich nicht selbst beantworten kann. Und bis jetzt: Fragen, die mir noch keiner beantworten konnte.
Armageddon
Und genau in diesen Himmel soll ich irgendwann für die Ewigkeit kommen wollen? Das hört sich aber verdammt lang an. Wieso sollte ich so scharf darauf sein, Menschen zu treffen, die ich nicht sehen will?!
Kleriker, die während der Zeiten der Inquisition durch die Übergabe ihres Reichtums an die Kirche ihren Pfad in den Himmel erkauft haben. Adlige, die durch Ausbeutung von armen Leuten, durch gute Beziehungen mit den oben genannten Klerikern ebenfalls nach dem Tod in denselben Himmel gekommen sind. Oder richtige böse Menschen, die nach ihren grausamen Fehltritten, um Absolution gebettet haben und nach dem Schuldbekenntnis, ein paar Ave-Marias und zehn falschen „Ich werde es nie wieder tun“-Beichten später das Ticket in den Himmel ebenfalls bekommen haben?
Individuen, die ich nicht kannte und mit Sicherheit nicht kennenlernen möchte. Denn sie repräsentierten genau das, was ich verabscheue: Tyrannei, Gier und Intoleranz. Ohne zu vergessen, dass viele von denen sich sehr gefreut haben, als andere schlaue Individuen im Feuer gebrannt haben während der Inquisition.
Nein, wir sind einfach nicht kompatibel, denn wir sind unterschiedlicher Meinung… Oder werden unsere Denkweisen auf eine magische Weise gelöscht, auf Kompatibilität geprüft, rekalibriert und aneinander angepasst, um den Frieden im Himmel nach dem Tod zu gewährleisten? Was passiert mit unserem freien Willen? Was passiert mit der Fähigkeit, seine eigene Gedanken zu vertreten? Geht dieser ständige »Deine Ideologie ist nicht gut genug und mein Gott ist besser als deiner«-Krieg da oben weiter?
Erkenntnis
Aber unter allen diesen unbeantworteten Fragen, die sich ungewollt, ab und zu und immer wieder in meinen Synapsen bilden, bleibt eine ganz verborgen. Als ob diese Frage viel Angst hätte, sich zu offenbaren. Panik vor der Meinung anderer und ihre Gültigkeit im fremden Hass zu verlieren. Und die lautet: Wieso sind alle diese Götter so egoistisch?
»Du sollst nicht andere Götter haben neben mir.« Nur mich, nur mich!
Es kann nur ein Gott geben, sonst wirst du bestraft!
Wie bitte?
Ich dachte es geht um Liebe und Vertrauen? Fähig zu sein, auch von anderen zu lernen.
Wie soll ich irgendetwas lieben, das ich gleichzeitig fürchten soll? Dieser Widerspruch geht nicht in meinen winzigen Kopf hinein.
In meinen Augen sind viele religiöse Menschen davon überzeugt zu wissen,
wie das alles im Leben läuft. Diese Personen sind von ihrem Glauben so
überzeugt, dass sie das Wort weitergeben. Andere gehen soweit, dass sie
bereit sind ihr Leben zu opfern, ohne einen Beweis dafür zu haben, ob das, woran sie glauben, wahr ist oder nicht. Denn sie haben es: Den Glauben. Und nur das soll reichen. Aber in Laufe der Geschichte haben wir oft erlebt, dass nicht alles, was eine Menge Follower hat, automatisch auch gut für uns ist.
Aber eigentlich… bedanke ich mich bei denjenigen, die die Meinung anderer nicht tolerieren. Die sind der Grund, warum ich mit starren Denkweisen nichts zu tun haben will. Denn es geht immer um dasselbe: »Dein Gott ist nicht gut genug, meiner ist besser«. Und im Namen dieses Gottes werden rassistische Kriege, sexistische Abgrenzungen und unzählige homophobe digitale Kreuzzüge durchgeführt. Wir ertrinken in einer intoleranten Ideologie-Suppe, die seit Jahrhunderten ihr Unwesen in unseren Köpfen treibt, wodurch manche sogar den Tod anderer in Kauf nehmen: »Deus lo vult«.
Nein, ich bin mir mehr als sicher, in diesen Himmel möchte ich mit Sicherheit nicht kommen. Mit Gewissheit kann ich dir sagen, dass ich diese Leute nicht treffen möchte.
Doch ehrlich gesagt, die beschäftigen mich nicht so sehr. Denn für mich gibt es wichtigere Sachen, als mich fünf mal am Tag mit der Existenz eines Gottes zu befassen:
- Zeit mit meiner Familie zu verbringen;
- mit meinen Kindern zu spielen;
- täglich persönlich zu wachsen, um groß genug für meine eigenen Träume zu werden;
- mehr Zeit für meine wenigen guten Freunde zu haben;
- aus den täglichen Fehlern etwas Positives zu lernen;
- mich auf die Kleinigkeiten des Lebens zu freuen;
- spazieren gehen mit der Familie und mit Freunden;
- technische Literatur zu verschlingen;
- neue Leute überall kennenzulernen;
- Seminare und Weiterbildungen zu besuchen, um neue Gedanken zu tanken;
- in Modenschauen mitzuwirken, um Träume auf der Bühne zu verwirklichen;
- Sport zu treiben, um fit zu bleiben;
- Menschen zu motivieren die Schönheit dieser Welt zu betrachten;
- etc; etc; etc […]
Fazit
Wie du hier lesen kannst, bin ich sehr verwirrt in meinem Geist. Aber es ist GUT so. Es tut nicht weh und dieser Zustand erlaubt mir, immer wieder offen für neue Gebiete zu sein, nicht mich an einem ideologischen Status-Quo festzuklammern oder beratungsresistent für Kritik zu werden.
Dieser Charakterzug erlaubt mir, Menschen so zu akzeptieren, wie sie geworden sind, mit ihren Ecken, Kanten, Fehlern und Fähigkeiten.
Und wenn Dualität (Schwarz oder weiß, gut oder böse, kein grau, kein vielleicht, oder kein was-wäre-wenn) in deinem Leben eine große Rolle spielt und die Liebe zu einem Gott größer als die Liebe zu deiner Familie oder zu dir selbst ist, dann habe ich noch eine letzte Frage als Hausaufgabe für dich: Würdest du dein eigenes Kind töten, wenn dieser Gott es dir befehlt?
Wenn deine Antwort »Nein« lautet, wirst du mit großer Wahrscheinlichkeit auch nicht in den Himmel kommen und falls deine Antwort »Ja« sein sollte, dann hoffe ich, dass du überdenkst, woran du glaubst.
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1 Kommentar
Ein kleiner Hügel hätte nicht gereicht | Ein Kubaner In Bayern · August 5, 2018 um 9:22 am
[…] zeigt 8:45 Uhr und klingelt. Ein fauler Kubaner liegt immer noch im Bett. Der Kampf zwischen meinem Agnostizismus und der Einladung eines guten Freundes an diesem Sonntag in eine Kirche zu gehen, tobte noch in […]