Der Mann im Mond (Gastbeitrag)

Veröffentlicht von Denis Molina Dominguez am

Vor ein paar Wochen nahm ich an dem Treffen der BGL-Autoren teil. Was soll das sein? Eine Gruppe von Autoren, die im und über das Berchtesgadener Land schreiben. Einfach genial.

Am Ende der Veranstaltung trafen wir uns bei ein paar Snacks und Getränken um Gedanken, Erlebnisse und Erfahrungen auszutauschen. Dabei hatte ich die Ehre eine dieser ausgezeichneten Autoren kennenzulernen: Daniela Brotsack oder besser gesagt Exlibris-d, Die RichtigSetzerin.

Daniela Brotsack - Exlibris-D

Daniela korrigiert nicht nur deutschsprachige Texte, sondern schreibt leidenschaftlich über unser schönes Berchtesgadener Land und Umgebung. Hier ein kleiner Geschmack ihrer Arbeit:

Der Mann im Mond

Wer kennt sie nicht, die Geschichte vom Mann im Mond. Ein Mann, der den Sonntag nicht heiligte und deshalb sein Bündel Reisig statt auf Erden einsam auf dem Mond herumtragen musste. So oder ähnlich die alte Sage.

Das wirft in unserer hochindustriellen Zeit natürlich ein paar Fragen auf, wie zum Beispiel: Muss der Mond inzwischen nicht überbevölkert sein? – Gibt es den „gerechten Gott“ in unserer Zeit nicht mehr? – Ist der Sonntag überhaupt noch heilig? – Ist die Geschichte doch nur erstunken und erlogen? und ähnliches mehr.

Aus diesen und anderen Gründen versuchen Forscher und Astronauten unseres Zeitalters mit aller Kraft herauszufinden, was auf dem Mond geschieht. Ob es dort Leben gibt oder je gab. Doch niemand ging jemals ernsthaft der Frage nach, was aus dem legendären und ersten Mann im Mond eigentlich geworden ist.

Als der Mann aus alter Zeit seine Strafe abgesessen hatte (und sie dauerte ganz schön lange für ein relativ kleines Vergehen), wurde er natürlich wieder auf die Welt entlassen. Der für ihn zuständige Kerkerknecht kam und gab ihm seine Papiere zurück. Sogar das Reisigbündel durfte er behalten. Wegen guter Führung und so.

Da es damals noch keine Rehabilitierungsmaßnahmen gab, stand er erst einmal dumm vor seiner Kate. Denn diese nannte inzwischen ein anderer sein Eigen. Von wegen Grundbuchamt, in der Zeit war ja noch nichts geregelt. Wenn ein Haus leer stand für längere Zeit, dann wurde es einfach von dem Nächstbesten in Besitz genommen. Also sah er sich nach einer Nichte um, die irgendwo in einem nahen Dorf wohnen müsste. Als er sie gefunden hatte, bekam er von ihr eine eindeutige Absage, in ungefähr folgendem Wortlaut: „Der Gotteslästerer hätte sich zum Teufel zu scheren“.

Kurz und gut, nach gut einer Woche stand der Mann wieder vor seinem Kerkerknecht und wollte zurück auf den Mond. „Wissen Sie, dort oben war es so schön einsam. Niemand hat mich fortgejagt oder mich angeschrien. Ich würde so gern wieder in mein altes Gefängnis zurückgehen und dort mein restliches Leben verbringen.“

Mitleidig sah ihn der Kerkerknecht von oben herab an. „Tut mir leid, der Mond ist schon wieder besetzt. Diesmal sind sogar drei gleichzeitig oben. Lauter Sünder vor dem Herrn.“

Es half kein Bitten und kein Betteln, der Mann musste auf der Erde bleiben. Er fand mit Mühe ein Plätzchen, an dem er bleiben konnte und hatte doch noch wider Erwarten einen ruhigen Lebensabend.

Diese Geschichte war der Anfang vom Ende. Der erste göttliche Gefangene läutete eine Reihe von Strafvollzügen ein und in einem gewissen Sinn auch das Ende der Welt, die doch einmal das Paradies gewesen war. Oder war das auch nur wieder so eine Geschichte, deren Wahrheitsgehalt man nicht so genau prüfen kann?

Nach der Sache mit dem Mann im Mond bekam nämlich die Monddirektion mit der Zeit massive Probleme. Die Sünder, die den Sonntag entweihten durch Arbeit wurden immer mehr. Dazu kamen noch viele andere von anderen Religionen, die sich Verstöße gegen die göttliche Ordnung zuschulden kommen ließen.

Der Mond war bald dermaßen überfüllt, dass er drohte, aus den Angeln des Weltalls gehoben zu werden und abzustürzen. Das konnte man jedoch auf keinen Fall riskieren. Denn der Mond wurde dringend benötigt zur Berechnung der Gezeiten und als Nachtlicht für die Tierwelt oder auch als romantische Lampe für Verliebte. Also, was tun? Da war guter Rat teuer.

Zuerst wurden unzählige Prediger aller Konfessionen auf die Erde geschickt mit dem Auftrag, die Menschen zum Guten zu bekehren. Dieser Plan aber scheiterte so kläglich, dass das göttliche Gremium sich die Haare raufte.

Daraufhin einigte man sich auf einige drastische Maßnahmen wie Kriege, Hungersnöte, Seuchen, Überschwemmungen, Vulkanausbrüche, Unfälle mit vielen Opfern, Erdrutsche, und vieles mehr. Diese sollten die Menschen zum innehalten und Nachdenken bringen. Doch wieder half nichts. Die Menschen wurden nicht besser, sondern eher das Gegenteil traf zu.

Keiner sah mehr während der Arbeit zum Himmel auf oder hielt gar inne, um der Landschaft zu huldigen. Kaum jemand kümmerte sich mehr um seine Nachbarn oder die Familie. Jeder wurde schließlich zum Einzelkämpfer und sah nur den eigenen Vorteil in allem, was er tat. Der Göttliche Ratschluss war also etwas fehlgeschlagen. Wieder setzte man sich in einem Gremium zusammen, um zu beraten, was zu tun wäre.

Zu guter Letzt setzte sich eine neue und sensationelle Idee durch: Die Erde sollte nun zum Verbannungsort werden, auf dem sich die Menschen ganz nach ihrem Willen selbst zerstören könnten.

Nur eine kleine Auslese von wirklich sündenfreien Menschen mit einem absolut reinen Gewissen wurde (und wird auch heute noch von Zeit zu Zeit) auf einen Planeten verfrachtet, der „das Paradies“ genannt wird und eine angenehme Atmosphäre bis zum letzten Atemzug bietet. Nur dort werden alle Wünsche wahr und jedes Lebewesen wird geachtet. Doch dieser Planet liegt in einer ganz weit entfernten Galaxie und kann von den Menschen der Erde niemals gefunden werden.

Deshalb ist es auch nicht verwunderlich, dass Astronauten jedes Erdteils immer wieder mit derselben Nachricht zur Erde zurückkehren: Der Mond und alle anderen Planeten sind unbewohnt!

© Daniela Brotsack, 07.02.2001 – korrekt@exlibris-d.de

Mehr Information über die Autorin findest du unter: http://exlibris-d.de

 

 


1 Kommentar

Der Mann im Mond (Gastbeitrag) • Ein Kubaner In Bayern · Juli 2, 2018 um 6:59 am

[…] Der Mann im Mond (Gastbeitrag) […]

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