Eine kurze Ewigkeit
Seit sie denken kann, hat sie nur ein Ziel im Kopf: Alles muss perfekt sein.
Gut vorbereitet für dieses Leben, 26 Jahre alt und wahnsinnig sympathisch. Sie heißt Laura, und ist der ganze Stolz ihrer Eltern, weil sie ihr Studium mit einem Doktortitel abgeschlossen hat. Die sieben, langen, anstrengenden Jahre in der Uni haben sich gelohnt. Einer ihrer Kommilitonen – Lorenzo – hatte ein Auge auf sie geworfen; die Beziehung hält seit Jahren dicht. Sie glaubt das könnte etwas Ernstes werden, schließlich ist er intelligent, charmant und sieht besonders gut aus. Ihre Eltern glauben, die Glocken schon läuten zu hören.
Drei Monate später, in der größten Kirche der Stadt, heiraten beide. Er in einem Designeranzug; sie in weiß: Der Neid all ihrer Freunde. Nicht einmal Zoe – ihre beste Freundin – konnte ihre Eifersucht verbergen. Das »Ja« Wort wurde nach dem »Bis-der-Tod-uns-scheidet«-Versprechen vor 300 Gästen abgegeben. Und das alles in einem atemberaubenden Ort unter einer märchenhaften Dekoration.
Die Zeit wartet auf niemanden und Laura ist keine Ausnahme dieser Regel. Nachdem sie sich nach einem Jahr entschieden hatte, ihre viel versprechende Karriere in dem 12.000 Mitarbeiter Unternehmen aufzugeben, schenkte sie ihrem Lorenzo zwei wunderschöne Kinder. Gemeinsam wollten sie einen großen Familientraum verwirklichen: Ein eigenes Zuhause mit Garten, vielen Kindern und einer makellosen Ehe.
Die pubertierenden Nachkommen gedeihen prächtig in dem erträumten Haus. Das selbe Haus, das beide jeden Tag mit einem gewaltigen Schuldenberg erdrückt. Lorenzo arbeitet pausenlos, um die märchenhafte Utopie aufrecht zu halten. Zoe – ihre beste Freundin – ruft selten an. In der Spirale des schnellen Lebens haben ihrer virtuellen Freunde keine Zeit mehr für sie. Laura fühlt sich allein gelassen, kraftlos, irgendwie erschöpft. Ihr Vater – der langjährige, treue Begleiter, ist vor einem Jahr verstorben. Er starb ohne seine Enkelkinder groß werden zu sehen. Ein unerwartetes Ereignis, das ihrer Mutter den Rest gegeben hatte. Die Entscheidung, sie in das entfernte Altersheim abzuliefern, ist ihr nicht leicht gefallen.
Aber das Leben geht weiter und Laura muss mitziehen. Aus Minuten werden Stunden, aus Stunden, Tage, Monate, Jahre. Eine unbemerkte Routine schleicht sich langsam, aber sicher an die Beziehung heran. Ironie des Schicksals: Jetzt sich so allein zu fühlen. Vielleicht die Strafe, weil sie zwar Zeit, aber keine Nerven für die Pflege ihrer demenzerkrankten Mutter hatte. Laut Gesetz der Reziprozität sind wir für die Pflege unserer Eltern verantwortlich, wenn sie allein nicht mehr zurecht kommen, oder? »Augen zu und durch« wiederholt sie jeden Tag vor dem verdammten Spiegel, um ihr leeres Leben mit einem fiktiven Sinn zu füllen.
Jahre vergehen… die Kinder sind schon aus dem Haus, aber die Langeweile verschleiert die Einsamkeit nicht. Ihr Mann ist selten zu Hause: »Noch ein paar Jahre harte Arbeit und dann habe ich mehr Zeit für dich«, verspricht er immer wieder. Hängt diese Tatsache damit zusammen, dass ihre Schönheit langsam aber sicher verblüht? Diese oberflächliche Überzeugungskraft, die sie früher als Visitenkarte gern präsentierte. Sie findet keinen Anschluss in ihrem Beruf. Zwanzig Jahre ohne Praxis, hinterlassen sichtbare Spuren… für den Körper, das Selbstbewusstsein und die Seele: Ein Messerstich, den sie in jedem gescheiterten Vorstellungsgespräch tief im Inneren spürt.
»Wir müssen reden«, sagte ihr Mann eines Tages zu ihr. Ein ernsthaftes Gespräch soll daraus werden hatte er betont…
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Kontrolle | Ein Kubaner In Bayern · August 26, 2018 um 8:01 am
[…] fehlten die Worte, um die Traurigkeit des Augenblickes zu beschreiben. Sie fehlt uns: Ihre Freundschaft, ihre lebendigen Geschichten, ihr […]